Politische Bildung
Worum geht`s?
In einer Demokratie hat die Bevölkerung politische Rechte. Es gibt je nach demokratischem Recht unterschiedliche Einschärnkungen. Um auf nationaler Ebene Abstimmen- und Wählen zu können muss eine Person die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzen, 18 jährig und urteilsfähig sein. Bei anderen politischen Rechten gibt es wiederum weniger starke Einschränkungen, wo auch bspw. Ausländer:innen teilhaben können. Welche Rechte die Menschen haben, hängt davon ab, wie die Demokratie ausgestaltet ist. In der Schweiz bestehen neben dem Wahlrecht für volljährige Personen mit Schweizer Staatsbürgerschaft auch zusätzliche direktdemokratische Rechte, zum Beispiel das Abstimmen über Sachfragen. Um die politischen Rechte nutzen zu können, braucht es gewisse Kenntnisse und Fähigkeiten in diesem Bereich. Diese Kenntnisse und Fähigkeiten eignen sich Personen zum Beispiel durch das Umfeld, Erfahrung und Interesse, aber auch durch politische Bildung an. Eine Studie des Forschungsinstituts gfs.bern von 2014 zeigt, dass deshalb politische Bildung besonders wichtig ist. Die Studie ging der Frage nach, wie das politische System der Schweiz am besten gestärkt werden kann. Das Ergebnis ist eindeutig: Sowohl die Expert:innen wie auch die Bevölkerung nannten die Stärkung der politischen Bildung an erster Stelle. Auch in der Politik besteht ein breiter Konsens über die Wichtigkeit der politischen Bildung.
Doch was ist politische Bildung? Wir haben eine eigene Definition von politischer Bildung beim DSJ. Diese lautet folgendermassen:
«Junge Menschen durch Wissensvermittlung befähigen, am demokratischen Leben teilzuhaben.»
Definition DSJ
Unsere Definition ist bewusst kurz und einfach verständlich gehalten. Politische Bildung ist jedoch ein breites Feld. So nützt beispielsweise der Bund eine deutlich längere und umfassendere Definition von politischer Bildung.
«Politische Bildung (Education for Democratic Citizenship): Bildung, Ausbildung, Bewusstseinsbildung, Information, Praktiken und Aktivitäten, deren Ziel es ist, Lernende durch Vermittlung von Wissen, Kompetenzen und Verständnis zu befähigen, ihre demokratischen Rechte und Pflichten wahrzunehmen und zu verteidigen, den Wert von Vielfalt zu schätzen und im demokratischen Leben eine aktive Rolle zu übernehmen, in der Absicht, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu fördern und zu bewahren.»
Definition Bund
Es bestehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Stärkung der politischen Bildung. So wurde bereits mehrfach die Förderung der politischen Bildung von Vertreter:innen aus Parteien und Jungparteien des gesamten politischen Spektrums gefordert (u.a. Soirée Politique 2018). Dennoch sind konkrete Erfolge bei der Stärkung der politischen Bildung rar, da es zwischen den Parteien oftmals keine Einigkeit darüber gibt, wer für die Förderung der politischen Bildung zuständig ist und wie die Förderung ausgestaltet werden soll. Der vom Bundesrat publizierte Bericht zur «Entwicklung 2018-2021 der politischen Bildung» zeigt auf, wie viele unterschiedliche Akteur:innen es im Bereich gibt und dass weiterer Handlungsbedarf besteht. Lücken sollen geschlossen und Synergien stärker genutzt werden (Politische Bildung in der Schweiz – Gesamtschau). «Der Bundesrat hält in diesem Bericht fest, «dass die Schweiz gefordert ist, die Demokratie auf allen Staatsebenen national und international zu stärken. Auch die politische Bildung hat ihren Beitrag dazu zu leisten.»
Welche Angebote gibt es im Bereich der politischen Bildung?
Es gibt unterschiedliche Akteur:innen, die sich für die Förderung der politischen Bildung einsetzen. Von der Unterstützung eines Vorstosses, der die politische Bildung stärken will, bis hin zur Initiierung einer Projektwoche zur politischen Bildung bestehen viele Möglichkeiten.
Eine erste wichtige Unterscheidung in der Bildung allgemein ist jene zwischen formaler, non-formaler und informeller Bildung. Bei der formalen Bildung ist grundsätzlich die Bildung in staatlichen Schulen, Gymnasien oder Universitäten gemeint. Non-formale Bildung sind Bildungsangebote ausserhalb des Schulunterrichtes, wie beispielsweise Weiterbildungsangebote von Privaten oder Vereinen oder sonstigen ausserschulischen Akteur:innen. Ein Beispiel dafür wäre die Jugend+Sport Ausbildung. Informelle Bildung ist schliesslich Bildung, die neben diesen Bildungsangeboten geschieht, bspw. in der Familie oder im Freundeskreis. Hier geht es eher um lebenslange Lernprozesse, die täglich stattfinden. (Definition IWWB)
Auch bei der politischen Bildung kann eine Unterscheidung zwischen den drei Formen gemacht werden. Es gibt sowohl politische Bildung an der Schule (formal), die wir im Folgenden als schulische politische Bildung näher vorstellen werden. Ebenso gibt es Bildungsangebote in der politischen Bildung, die ausserhalb der Schule stattfinden (non-formal). Auch diese Art von Angeboten werden wir in diesem Text vorstellen und nennen sie ausserschulische politische Bildung, wie dies üblicherweise der Fall ist. Auf die informelle politische Bildung wird in diesem Text nicht eingegangen.
Schulische politische Bildung hat den Vorteil, dass sie alle Menschen, die den obligatorischen Unterricht besuchen, erreicht. Die ausserschulische politische Bildung hat den Vorteil, dass sie sich den Bedürfnissen und dem Wissen der Personen anpassen kann.
Politische Bildung an Schulen
Laut Politikmonitor 2023 ist die Schule nebst dem Elternhaus und dem Freundeskreis der Ort, an dem junge Menschen am stärksten politisch motiviert. Insbesondere junge Erwachsene aus politikferneren Haushalten profitieren stark von der politischen Bildung an Schulen.
Wer ist für politische Bildung an Schulen zuständig?
In der Bildungspolitik kommt der Föderalismus voll zum Tragen und lässt die Zuständigkeiten ziemlich komplex erscheinen. Föderalismus bedeutet, dass sowohl die Gemeinden als auch die Kantone und der Bund gewisse Zuständigkeiten haben. In einigen Bereichen entscheiden die Gemeinden selbstständig, in anderen Bereichen organisieren sich wiederum die Kantone selbst und relativ unabhängig vom Bund. In der Bildung liegen die meisten Kompetenzen auf kantonaler Ebene.
Weiter muss beachtet werden, dass systematische Unterschiede je nach Schulstufe (Sek I, Sek II), Schultyp (Gymnasien, Fachmittelschulen, Berufsfachschulen mit und ohne Berufsmaturität) und Sprachregion (Deutschschweiz, Romandie und italienischsprachige Schweiz) bestehen.
Die Grafik soll einen Überblick über die Zuständigkeiten für einzelne Teilbereiche auf den föderalen Ebenen bieten.
Föderale Ebene | Gemeinde | Kanton | Bund |
---|---|---|---|
Kindergarten |
X |
||
Primarschule |
X |
X |
|
Sekundarstufe I |
X |
X |
|
Sekundarstufe II |
X* |
X** |
|
Fachmittelschulen |
X |
||
Hochschulen |
X |
X |
|
Weiterbildung |
X *** |
X *** |
* Gymnasiale Maturitätsschulen und Vollzug der Berufsbildung
** Steuerung und Entwicklung der Berufsbildung
*** Ergänzend zu Privaten
Das Thema politische Bildung wird sehr unterschiedlich umgesetzt. Insgesamt ist die Verbindlichkeit für den Schulalltag eher gering und so fällt den Lehrer:innen eine wichtige Rolle zu. Unterschiedliche Organisationen versuchen Lehrpersonen zu unterstützen, indem Lehrmittel zur Verfügung gestellt werden. Der DSJ stellt interessierten Lehrpersonen politisch neutrale Unterrichtsmaterialien zur Verfügung; für die Sekundarstufe I mit engage.ch und für die Sekundarstufe II mit easyvote-school. Auch vom Zentrum für Demokratie Aargau stehen mit PB-Tools spannende Möglichkeiten zur Verfügung. Zusätzlich organisieren verschiedene Organisationen auch Veranstaltungen an Schulen. Beispielsweise veranstaltet Discuss it politische Diskussionen an Schulen.
Volksschule und Sekundarschule I
Sekundarstufe II
Ausserschulische politische Bildung
Unterschiedliche Organisationen bieten Angebote zur Stärkung der politischen Bildung an. Diese ausserschulischen Angebote sind sehr divers. Der DSJ bietet verschiedene Angebote im ausserschulischen Bereich an. Beispielsweise easyvote zielt auf die Vereinfachung der Politik ab. Engage.ch hingegen baut auf die Ideen der Jugendlichen und bringt sie in die Politik ein. Und die Jugendparlamente fördern Jugendliche, die bereits ein Interesse an der Politik zeigen.
Viele weitere Organisationen bieten Angebote zur ausserschulischen politischen Bildung an. Einige Beispiele dafür befinden sich im Anhang.
Auch der Bund trägt einen Teil dazu bei, dass ausserschulische politische Bildung gefördert wird. Für die Finanzierung ist das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) zuständig. Es unterstützt Organisationen und Projekte, die die politische Bildung ausserhalb der Schule fördern wollen. Diese Förderung ist im Bundesgesetz über die Förderung der ausserschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, das Kinder- und Jugendförderungsgesetz (KJFG), geregelt. Auch der DSJ wird vom BSV finanziell unterstützt.
Wie stehen die Schüler:innen zur politischen Bildung?
Der Politikmonitor zeigt, dass Jugendliche und junge Erwachsene in der Schweiz die politische Bildung in der Schule als zentral ansehen. In den letzten Jahren variierte der Anteil der Jugendlichen, die der politischen Bildung in der Schule sehr grosse oder eher grosse Wichtigkeit zumessen zwischen 66% und 73% (Politikmonitor 2023). Besonders spannend ist dieser Befund im Vergleich zur Frage, wie viel die Schüler:innen durch politische Bildung gelernt haben. Hier befand sich der Anteil derjenigen Jugendlichen, die eher viel oder sehr viel gelernt haben, jeweils zwischen 42% und 62%. Dieser Wert variierte somit stark. Wenn betrachtet wird, dass mehr als zwei Drittel der jungen Menschen angaben, dass sie es wichtig finden, aber nur rund die Hälfte eher viel gelernt hat, besteht hier Handlungsbedarf.
Tendenziell lernen die jungen Menschen weniger zur politischen Bildung als in früheren Jahren (Politikmonitor 2023). Auch das Vertrauen in Politik und das politische Engagement sind in den letzten Jahren eher gesunken. Genauso zeigte sich in der letzten Umfrage, dass das Vertrauen in die Demokratie als politisches System bei weitem nicht bei allen jungen Menschen verankert ist. Diese Entwicklungen sprechen für einen Handlungsbedarf in der politischen Bildung. Denn wie anfangs argumentiert, lebt die Demokratie von Teilhabe und dem Engagement und Vertrauen der Bevölkerung.
Unterschiede zwischen Berufsschüler:innen und Gymnasiast:innen
Zielt die politische Bildung an den Bedürfnissen der Schüler:innen vorbei?
Noch Fragen?
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